Die MARTHA-Studie ist Teil des Konsortiums “A World Without Asthma” (AWWA). Die niederländische Patientenorganisation „Lung Foundation- LongFonds“ hat diese breit angelegte Forschungskooperation ins Leben gerufen. Diese Lungenstiftung sucht nach grundlegenden Lösungen für Patienten, die an Asthma und anderen Lungenerkrankungen leiden. Mit LONGFONDS | Accelerate brachte sie zu diesem Zwecke anerkannte Wissenschaftler, Ärzte und Lungenpatienten zusammen. Gemeinsam arbeiten sie alle für ein Ziel: den schnellen medizinischen Durchbruch in der Asthmaforschung, um mit neuen Methoden diese Erkrankungen bereits im Ansatz ihrer Entstehung zu verhindern.
Die MARTHA-Studie als Teil von AWWA möchte zeigen, dass mit möglichst wenig behandelter Kuhmilch eine solche Prävention möglich ist:
Die Bauernkinderstudien haben übereinstimmend gezeigt, dass Kinder, die regelmäßig Rohmilch trinken, vor Asthma, Allergien und Atemwegsinfekten geschützt sind. Die MARTHA-Studie überprüft nun diese Beobachtung, indem sie die Gesundheit von Kleinkindern vergleicht, die täglich eine vorgegebene Menge zweier unterschiedlicher Milchsorten trinken.
Alle teilnehmenden Kinder trinken frühestens ab dem 7. Monat und wenn sie nicht mehr voll gestillt sind, täglich 200 ml Milch und ab 10 Monaten zweimal täglich 150 ml Milch. Dabei erhält ein Teil der Kinder die schonend verarbeitete Milch (Testmilch), die andere Gruppe eine handelsübliche UHT-Milch (Vergleichsmilch). Der Zufall entscheidet, in welche Milchgruppe ein Kind eingeteilt wird. Beide Milcharten kommen von bayerischen Kühen. Die Testmilch ist eine biozertifizierte Heumilch, und die Vergleichsmilch kommt von bayerischen Betrieben, die sich zu nachhaltiger und tiergerechter Haltung verpflichtet haben und auf den Einsatz von Neonicotinoiden und Totalherbiziden wie Glyphosat verzichten. Ihre Kühe werden nur gentechnikfrei gefüttert und weitgehend von umliegenden Grünflächen ernährt.
Keinem Kind entsteht ein Nachteil, wenn es zufällig in die Gruppe mit der herkömmlichen Vergleichsmilch zugeteilt wird: dies entspricht der Gabe von haltbarer Milch (sogenannte H-/UHT/ESL-Milch) aus dem Geschäft.
Die Gabe der Milch („Intervention“) wird bis zum Alter von 3 Jahren fortgesetzt. Während der Interventionsphase beantworten die Eltern in einem wöchentlichen Internetfragebogen, ob das Kind die Milch vertragen hat, ob es Erkältungen oder ähnliche Erkrankungen hatte und welche Nahrung das Kind zusätzlich erhalten hat. Alle 4 Wochen werden zusätzlich Fragen nach dem Lebensumfeld des Kindes gestellt (z.B. Kita-Besuche, Tierkontakte). Nach dem Ende der „Intervention“ werden die Teilnehmer nur noch mit einem online-Fragebogen weiterverfolgt, um zu beobachten, ob ein Kind Asthma entwickelt hat. Diese Internetfragebögen sind alle 3 Monate auszufüllen und erheben vor allem den Gesundheitszustand des Kindes.
Die Kinder werden zu 3 Besuchen in die Studienambulanz eingeladen. Der erste Besuch findet zu Beginn der Milchgabe, frühestens mit 6 Monaten statt und dient der Überprüfung von Ein- und Ausschlusskriterien, der Aufklärung und Einwilligung durch die Sorgeberechtigten, dem Erfassen von Vorerkrankungen, der körperlichen Untersuchung, der Entnahme von Blut und weiteren Untersuchungsproben (siehe unten) sowie der Zuteilung zu einer Gruppe per Los. Der zweite Besuch findet im Alter von 2 Jahren statt und dient der Erfassungen weiterer Erkrankungen wie Neurodermitis (Atopisches Ekzem) und Krankheitsvorstufen (Atopische Sensibilisierung, Entzündungswerte). Dazu werden wiederum Proben genommen.
Im Herbst und Winter 2021/2022 werden alle teilnehmenden Kinder zur zweiten Klinischen Visite eingeladen, auch, wenn sie noch nicht zwei Jahre alt sind. Damit sollen auch alle frühkindlichen Infekte erfasst werden, die nach den Hygienemaßnahmen der CORONA-Pandemie gehäuft auftreten werden.
Der dritte und letzte Besuch in der Studienambulanz findet nach Beendigung der Milchgabe im Alter von 3 Jahren statt. Dabei werden dieselben Untersuchungen wie beim zweiten Besuch durchgeführt.
Bei allen drei Besuchen in der Studienambulanz werden geringe Mengen Blut abgenommen. Mit dem Blut wird ein Allergietest durchgeführt und der Entzündungswert bestimmt. Außerdem wird im Blut und in Proben von Nasenschleimhautzellen untersucht, welche Gene angeschaltet sind, um zu verstehen, wie der Schutz der Milch wirkt. Nasenabstriche und Stuhlproben dienen der Untersuchung von Bakterien, die den Körper normalerweise besiedeln (Mikrobiom) und durch die Milch günstig beeinflusst werden könnten. Es gibt Hinweise darauf, dass die Milch besonders gut bei Kindern wirkt, die bestimmte Erbanlangen oder niedrige Fettsäuren-Werte haben. Daher werden im Blut Gene untersucht und Fettsäuren gemessen. Beim zweiten sowie beim dritten Besuch werden für Immunreaktion und Genexpression zusätzlich mit einer kleinen Bürste Schleimhautzellen in der Nase gesammelt. Mit sehr kleinen Stoffstreifen wird außerdem Nasensekret für Entzündungsmarker aufgefangen.
Asthma und andere allergische Erkrankungen wie Heuschnupfen oder Neurodermitis nehmen seit Jahren in Deutschland an Häufigkeit zu. Auch viele Kinder und Jugendliche sind davon betroffen und in ihrer Lebensqualität zum Teil erheblich eingeschränkt. Bis heute gibt es keine Möglichkeit, die Entstehung der meist chronisch verlaufenden Erkrankungen zu verhindern. Seit Jahren sind daher mehrere Forschungsgruppen weltweit den Ursachen für diese Erkrankungen auf der Spur und untersuchen Möglichkeiten zur Vorbeugung. Dabei entdeckten wir, dass Kinder von Bauernhöfen erheblich seltener erkranken. Mehrere sogenannte Bauernhofstudien untersuchten dies näher und fanden heraus, dass es auf dem Bauernhof verschiedene schützende Faktoren gegen die Entstehung von Asthma und Allergien gibt. Am stärksten ausgeprägt ist dieser positive Einfluss bei frischer, unbehandelter Rohmilch direkt vom Hof, während dieser Effekt bei hocherhitzter, lang haltbarer Milch verschwunden ist. Da in der Rohmilch Krankheitserreger enthalten sein können, kann diese jedoch nicht unbehandelt zum Verzehr als Vorbeugung gegen Asthma und Allergien empfohlen werden. Wir wollen nun ein Milchprodukt (Testmilch) testen, das speziell hierfür entwickelt wurde und durch eine neue und schonende Art der Verarbeitung so naturbelassen wie möglich ist. Dadurch bleiben einerseits die günstigen Eigenschaften der Rohmilch weitgehend erhalten, andererseits ist die Milch aber frei von bedenklichen Keimen.
Mit der MARTHA Studie überprüfen wir, ob man mit der neu entwickelten Testmilch tatsächlich der Entstehung von Asthma und Allergien bei Kindern vorbeugen kann. Dazu vergleichen wir die nach neuer Methode schonend verarbeitete Kuhmilch mit herkömmlich verarbeiteter Milch (Vergleichsmilch).
Wenn sich dabei ein Unterschied in der Häufigkeit von Asthma und Allergien zeigt, dann kann man in Zukunft der Asthmaentstehung bei Kindern sehr einfach mit Gabe der Testmilch vorbeugen.
Insgesamt 956 Kinder werden nach der Geburt aus der Region München in die Studie eingeschlossen. Alle Studienkinder werden in zwei Gruppen eingeteilt und erhalten entweder die flüssige Test- oder die Vergleichsmilch mit einer Haltbarkeit von ca. einer Woche. In der Regel deckt die Gabe der Studienmilch bei jüngeren Kindern schon den gesamten Tagesbedarf an Milch ab. Dazu gibt es die Empfehlungen zur Säuglings- und Kleinkindernährung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin.
Über online-Fragebögen, die regelmäßig beantwortet werden, erheben wir Informationen zum Lebensumfeld der teilnehmenden Familien, zur familiären Vorbelastung von Allergien und Asthma, zur Ernährung und zur Gesundheit der Kinder. Dreimal während der gesamten Studiendauer werden die Kinder von einem Facharzt kostenlos in der Studienambulanz untersucht. Dabei werden auch Blut, Nasenabstriche, Nasensekret und Stuhlproben gesammelt.
Die Hauptfinanzierung für den Aufbau der MARTHA-Studie kommt von LONGFONDS I Accelerate. Das ist ein internationales Forschungsprogramm, bei dem anerkannte Wissenschaftler, Ärzte, Lungenpatienten und Sozialpartner eng zusammenarbeiten, um gemeinsam ein Ziel zu erreichen: sie wollen den medizinischen Durchbruch in der Asthmaforschung beschleunigen. Dazu wurde unter der Federführung der niederländischen Lungenstiftung ein internationales Konsortium mit dem Fokus auf Asthmavorbeugung gebildet. Die MARTHA-Studie ist Teil dieses Konsortiums „A World Without Asthma (AWWA)“- eine Welt ohne Asthma. Die Förderung kommt von privaten Geldgebern, aus Vermächtnissen und anderen Kapitalmitteln.
In München
MARTHA- Studienzentrum München
Arbeitsgruppe Asthma und Allergien am Dr. von Haunerschen Kinderspital
Prof. Dr. Dr. h.c. Erika von Mutius (Leitung)
Email
martha-studie@med.uni-muenchen.de
Tel
089 4400 579 30
01525 4889695